14. November 2022]

Der Kirchenfriedhof von Egern ist bekannt für die große Zahl von Prominenten, die dort bestattet sind. Gleich jenseits der Friedhofsmauer liegt der historische Pfarrhof, in dem auch die Gemeindebücherei Rottach-Egern untergebracht ist.

Passenderweise kurz nach Allerheiligen, am 5. November 2022, wurde diese Nachbarschaft heuer erstmals für eine beispielhafte kulturelle Kooperation: Kirchenhistoriker Roland Götz führte unter dem Titel „Prominente Gräber" durch den Friedhof. Die Leiterin der Gemeindebücherei, Christine Pfluger, und ihr Team präsentierten dazu im Pfarrsaal eine Ausstellung von Büchern, die entweder von den berühmten Toten verfasst wurden oder über sie erschienen sind. Dank einem Sonderzuschuss des Sankt Michaelsbundes, der die in Kooperation von Pfarrei und Kommune betriebene Gemeindebücherei fachlich begleitet, konnten sogar einige wissenschaftliche Werke angeschafft werden, die man sonst in einer örtlichen Bücherei nicht finden würde. Entsprechend ließ es sich Diözesanbibliothekarin Sabine Adolph vom Michaelsbund nicht nehmen, an der Veranstaltung teilzunehmen.

Den Leitfaden der Führung bildete der Essay „Ein oberbayerischer Dorffriedhof", den der Historiker Karl Alexander von Müller 1952 veröffentlichte und der von keinem anderen als vom Egerner Friedhof handelt. Am Anfang stand die ungewöhnliche, erst kürzlich erforschte Lebensgeschichte des Bauernsohns Johann Hagn, der als Jesuiten-Bruder und kundiger Baumeister nach Südamerika ging, aber 1786 wiederum in seiner Heimatgemeinde starb. 1861 starb mit dem Egerner Pfarrer Egid Hellensteiner der letzte ehemalige Mönch des schon 1803 säkularisierten Benediktinerklosters Tegernsee – nicht ohne seiner Gemeinde eine mahnende Grabinschrift zu hinterlassen.

Die bayerische Schönheit Amalie von Krüdener (+ 1888) und den russischen Adeligen Nikolaus von Adlerberg (+ 1892) verband eine ungewöhnliche Liebesgeschichte; schließlich fanden sie in einer eigenen Grabkapelle auf dem Egerner Friedhof ihre letzte Ruhestätte. Wie in dieser längst verschwundenen Kapelle früher Allerheiligen begangen wurde, lässt sich im autobiographischen Roman „Das grüne Sofa" ihrer Nachfahrin Natascha Würzbach nachlesen.

Unmittelbar nebeneinander wurden an der Friedhofsmauer die Schriftsteller Ludwig Ganghofer (+ 1920) und Ludwig Thoma (+ 1921) bestattet. Sie hatten beide ihren Wohnsitz am Tegernsee und waren freundschaftlich verbunden. So wollten sie auch im Tod einander nahe sein. Wie die Grabstätte des Heldentenors Leo Slezak (+ 1946) entstand, lässt sich den bewegenden Briefen entnehmen, die Slezak während der Endphase des Zweiten Weltkriegs und nach dem Tod seiner geliebten Frau an den in Amerika lebenden Sohn schrieb. Löwe, Hirsch und Äskulapschlange – diese für Oberbayern sicher ungewöhnliche Kombination von Tieren ziert den Grabstein des Arztes und leidenschaftlichen Jägers Wilhelm Kattwinkel (+ 1935). Er entdeckte auf einer Forschungsreise nach Ostafrika die Olduvey-Schlucht, die als Fundstätte von Fossilien früher Menschenformen berühmt wurde.

Martin Steinmetz